»Liebeswirren« (Tatort, 28. 9. 2008)

©2008 BR
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Ein homosexueller Fotograf verlässt seine Wohnung, begibt sich in eine Szenebar, um auf eine Verabredung zu warten, gerät mit einem Ex-Lebensgefährten in Streit wegen dieser Verabredung und verlässt die Bar unverrichteterdinge.

Am nächsten Tag wird er tot aufgefunden: Er ist auf einer nahen Baustelle in einen Stapel von Fenstern gestoßen worden, dabei wurden Halsschlagder und Stimmbänder durchtrennt, so dass er hilflos verblutete.

Batic und Leitmayr werden mit dem Fall betraut, beigesellt wird ihnen eine Kollegin aus der Sitte, deren Gegenwart für Batic mit einer peinlichen Erinnerung verbunden ist: Erst vor wenigen Tagen hat er bei einem One-Night-Stand mit ihr “gepatzt”.

Die Ermittlungen in der Umgebung der Bar und der Wohnung des Toten führen nicht recht weiter. Die möglichen Verdächtigen sind unauffindbar. Batic, dem die enge Zusammenarbeit mit besagter Kollegin nicht behagt, ermittelt auf eigene Faust und ertappt die Verabredung des Toten in dessen Wohnung. Doch im Verhör erweist sich dieser Mann als harmloser bürgerlicher Familienvater mit Handwerksberuf, der seine Neigung nur in heimlichen Verhältnissen auszuleben wagt. Außerdem habe er sich vor Monaten schon vom Toten getrennt.

Als Leitmayer und die Kollegin, die eigentlich den inzwischen verdächtigen Ex-Lebensgefährten des Toten verfolgen, erfahren, dass Batic den anderen möglichen Verdächtigen wieder laufen gelassen hat, nehmen sie dessen Umfeld ein wenig unter die Lupe und stellen fest, dass es mit dessen Familienleben nicht zum Besten steht.

Bedauerlich, dass dieser Krimi so gar nicht in die Gänge kommen will. Über weite Strecken vergeht nur Zeit, die Entwicklung wirkt ebenso mühsam wie bemüht. Spannungselemente bleiben weitgehend ungenutzt. Also müssen die Darsteller die Sache retten.

Im Zuge der Ermittlungen bewegt sich das Münchner Duo in homosexuellen Kreisen, wobei der vom Alterungsprozess ein wenig geplagte Batic sich lockerer gibt als sein bayerisch-bodenständischer Kollege.  Die Debatte über Homophobie bei der Polizei, die sie inkognito in einer Schwulendisko mit einem Ex-Kollegen führen, ergeht sich in Gags, die zum x-ten Male aufgewärmt wirken – nichtsdestotrotz nutzt das Münchner Duo die ein wenig affige Situation zur Selbstironisierung, indem sie auf schon fast bizarr anmutende Weise mit der Dümmlichkeit des Dialogs kokettieren.

Überraschend ist, wie viel Zeit am Ende dem tiefen Konflikt des überführten Täters gewidmet wird – rein plottechnisch ein Unding, wirkt die Szene nach einer hausbackenen Auflösung und etlichen grotesken Elementen in ihrer Länge doch etwas geschraubt, zumal die Klimax vorhersehbar ist. Aber Joel Bosman nutzt die ihm eingeräumte Zeit für eine erstklassige Vorführung eines tragischen Konflikts.

Nemec und Wachtveitl sind geradezu Garanten für anderthalb unterhaltsame Stunden am Sonntagabend, obwohl Prime-Time-Krimis offenbar eher simpel gestrickt sein müssen und kaum Raum oder gar Zeit bleibt für Metaebenen, Gegenwartsbezüge und anderen “intellektuellen Kram”. Aber ein intelligentes, bestens eingespieltes Team und gute Darsteller bis in die Nebenrollen machen auch aus einer durchschnittlichen Story eine gelungene Vorstellung.

Das behäbig wirkende Drehbuch erlaubt Regisseur Tobias Ineichen eine einfühlsame Inszenierung der Darsteller, wobei neben dem Münchner Duo die Darsteller der betroffenen Familie (Christoph Waltz und Susanne Schäfer als Eltern, Lena Dörrie und Joel Basman als Kinder) brillieren. Obwohl das Thema, dass es sich mit den Abgründen hinter den bürgerlichen Fassade nicht ganz so simpel verhält, wie man dereinst glaubte, inzwischen auch schon ein sich gebetsmühlenartig wiederholender Topos ist, verstehen es gerade Waltz und Schäfer durch sparsame Nuancen das Leiden an der Enge der eigenen Welt spürbar zu machen.

Solide Sonntagabendunterhaltung mit guten Ansätzen zur Nachdenklichkeit.